Auf einer Auktion mitbieten, das ist wie Jagen und Balzen gleichzeitig. Durch gegenseitiges Übertrumpfen der Teilnehmer soll etwas Begehrtes in deren Eigentum gelangen. Bietergefechte werden ausgetragen, die bei dem einen oder anderen einen regelrechten Rausch auslösen. Schon allein der Austragungsort, das Auktionshaus, übt eine Faszination aus.

Das Auktionshaus Ketterer Kunst in München / Inhaber Robert Ketterer (Fotos: Ketterer Kunst)

Sotheby’s, Christie’s, Phillips. Traditionsreiche Häuser, deren Namen auf der ganzen Welt bekannt sind und einen ein wenig vor Ehrfurcht erstarren lassen. Das Auktionshaus Ketterer Kunst ist zu diesen das deutsche Pendant. Es steht seinen Konkurrenten aus Großbritannien in nichts nach. Seit der Gründung 1954 entwickelte es sich zu einem der führenden Auktionshäuser Europas. Spezialisiert auf deutsche Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts, belegt Ketterer Kunst Platz 19 weltweit. Der Kundenkreis sind vor allem nationale und internationale Sammler, Kunsthändler, Kuratoren und Museen.

„Wir suchen die Stecknadel im Heuhaufen“

Inhaber Robert Ketterer spricht über die Herausforderungen eines immer härter umkämpften Kunstmarktes, Höchstpreise, Kunst-Trends und die Psychologie einer jeden Auktion.

Die heiligen Hallen von Ketterer Kunst

Geben Sie uns einen kleinen Einblick in Ihre Arbeit. Wie verschaffen Sie sich Zugang zu Kunstwerken? Was sind hier die Herausforderungen?

Das ist ja immer die Gretchenfrage. Wir haben ja nicht das Problem, dass wir keine Käufer für unsere Objekte finden, sondern wir finden nur schwer die passenden Objekte für unsere Käufer. Objekte, die gefragt sind. Wir haben dieselbe Herausforderung wie zum Beispiel Immobilienmakler. Es gibt viele Leute die kaufen wollen, das Geld ist da, aber die Immobilie, oder in unserem Fall die Kunst, fehlt. Es geht nicht darum, irgendein Objekt zu finden, sondern darum, die gesuchten, die interessanten Objekte zu finden. An diese Objekte gelangt man durch Reputation, Mund-zu-Mund-Propaganda, Empfehlungen und durch das Erzielen guter Preise auf den Auktionen. Faire Preise, mit denen alle zufrieden sind. Auch gute Vorarbeit ist wichtig, Echtheit und Relevanz sind zu prüfen. Außerdem haben wir uns auf deutsche Kunst spezialisiert. Das hilft uns relevante und begehrte Werke zusammen zu tragen.

Sind es denn immer die gleichen Personen oder Anlaufstellen, die Objekte liefern?

Das war früher so. Der Auktionshandel war ein B2B-Business. Man hat mit Händlern zu tun gehabt auf Einliefererseite und auch auf Käuferseite. Das ist aber lange nicht mehr so. Heute suchen wir die Stecknadel im Heuhaufen auf Einliefererseite. Auch wenn wir sehr viele gute Kontakte haben zu den internationalen Sammlungen, Kuratoren, Museen, Händlern, heißt das nicht, dass wir unsere Verkäufer immer kennen. Das sind oft Erbengenerationen, zu denen wir keinen Kontakt hatten. Die kommen dann auf uns zu.

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„Objekte über eine Million sind größte Seltenheit“

Welche Epoche/welche Künstler sind aktuell am gefragtesten? Wie entstehen diese Trends?

Kunstsammler sind Menschen, die immer am Puls der Zeit sind. Sie orientieren sich sehr daran, was heute passiert. Es gab verschiedene Trends, verschiedene Künstler, die gehypt worden sind. Condo zum Beispiel. Auch Black Artists wurden eine Zeit lang gehypt. Frauen in der Kunst werden aktuell  gehypt. Zero Kunst wurde gehypt. Doch Trends währen meist nicht lange. Sie ebben auch schnell wieder ab. Man muss sich nicht jedem Trend hingeben, wäre mein Tipp.

Was war der bisherige Höchstpreis für ein bei Ketterer Kunst versteigertes Objekt und um welches Werk handelte es sich?

In Deutschland sind Objekte über eine Million größte Seltenheit. Das hat damit zu tun, dass die englischen Häuser wie Christie’s und Sotheby‘s sich auf diese hochpreisigen Werke spezialisiert haben und im Wettstreit um das teuerste Bild sind. Dazu sind sie bereit sehr hohe Garantien abzugeben, was wir nicht können und auch nicht wollen. Dadurch kommen Objekte über eine Million regelmäßig nach London. Was dazu führt, dass die Häuser sich „kaputt machen“, weil sie die Garantien nicht erbringen können und dann drauf zahlen.

Bei uns im Haus war es eine Arbeit von Max Pechstein für 3,5 Million Euro vor wenigen Jahren. In diesem Bereich haben wir auch schon einige Objekte verkauft. Eine Arbeit von Shiraga für 3,25 Million. Ein Nolde für 2,5 Million und ein Ernst Wilhem Nay für 2,3 Million. Hier zu sehen!

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„Ketterer Kunst stellt sich der Zukunft“

Das Interesse an Kunst steigt stetig. Durch Online-Auktionen erlangen immer mehr Menschen Zugang zu qualitativ hochwertiger Kunst. Was sind die Chancen und vielleicht auch Risiken dieser Entwicklung?

Die Chancen sind ein schnellerer, größerer Umschlag von Kunst. Auch niedrigpreisigere Kunst kann angeboten werden. In eine normale Auktion könnten kleinere Objekte gar nicht aufgenommen werden, weil der Aufwand für Live-Auktionen ohnehin schon sehr hoch ist. Ohne Online-Auktionen würde dieser Markt wegbrechen. Das Risiko dabei ist, dass die Wertgrenzen irgendwann nach oben gehen könnten, Leute also bereit wären, teurere Objekte online zu ersteigern. Bei Christie’s werden Objekte schon bis 700.000 Pfund versteigert. Die Daseinsberechtigung von Live-Auktionen könnte gefährdet werden. Wir würden uns selbst wegrationalisieren. Aber das ist für mich kein wirkliches Risiko, denn ich stelle mich der Zukunft und den Erfordernissen und wir werden Wege und Lösungen finden.

Wie setzt sich Ihr Kundenstamm zusammen? Welche Art von Menschen/welche Art von Käufern treffe ich in den Auktionen an?

Das sind Kunstenthusiasten. Wir haben keine „Investmentbanker“, die Kunst aus Desinteresse kaufen. Im Großen und Ganzen sind das kulturinteressierte Menschen, die mit der deutschen Kunst aufgewachsen sind. Menschen, die schon in Schulbüchern darüber gelesen und sich diese Bilder in Museen immer wieder angesehen haben. Dadurch entsteht irgendwann mal der Drang, ein Kunstwerk, wie man es in einem Museum gesehen hat, besitzen zu wollen. Und wenn die finanziellen Voraussetzungen stimmen, steht dem ja auch nichts im Wege.

Was macht ein perfektes Kunstwerk aus?

Ein überzeugendes Kunstwerk hat eine hohe Wiedererkennung. Man erkennt es aus Distanz unter vielen anderen Werken anderer Künstler sofort als ein Werk dieses Künstlers. Der Inhalt des Bildes muss sinnbildlich sein für diesen Künstler. Wenn der Künstler dazu noch eine gewisse Bekanntheit hat, fördert das natürlich auch die Begehrlichkeit. Grundsätzlich muss ein Bild einen abrupt ansprechen. „Ja, das soll es sein!“

Robert Ketterer „in action“ auf der letzten Auktion im Dezember 2018. Das Bild „Herbstwolken“ von Emil Nolde wechselte für 1,68 Million Euro den Besitzer (Foto: Ketterer Kunst)

„Ob man mit der Reihenfolge richtig liegt, weiß man nie“

Wieviel Psychologie steckt in der Vorbereitung und im Ablauf einer Auktion?

Das ist irre. Das sind Diskussionen. Da liegt jedes Objekt ausgedruckt auf einem Papier auf dem Boden und auf Tischen. Ein Team von etwa 10 Leuten diskutiert jedes einzelne Objekt. Wie soll der Anfang der Auktion aussehen? Wie werden die Objekte, für die man die höchsten Preise erwartet, verteilt? Wie soll die Auktion ausklingen? Wie werden Objekte aufgestellt, die etwas „Schützenhilfe“ benötigen? Die Auktion muss spannend bleiben. Wir müssen auch Sehgewohnheiten der Kunden berücksichtigen. Diese haben sich geändert. Wir haben früher in Epochen gesehen. Das tun wir nicht mehr. Früher hat man sich mit alten Möbeln oder mit Teppichen eingerichtet, heute mischt man.

Welches Kunstwerk wird in den kommenden Auktionen das teuerste werden?

Keine Ahnung! Ich habe viele Ideen im Kopf und nachdem meine Tipps sich nur selten bewahrheiten bin ich da vorsichtig. Man kann heute nichts mehr vorhersagen. Es sind zwei die sich finden und dann passiert etwas Furchtbares: Nämlich dass sich kein dritter oder vierter findet, der mit steigert. Es gibt auch Kunstwerke, von denen viele denken, sie bräuchten gar nicht erst mitsteigern, weil sie eh viel zu teuer werden. Dann sitz ich in der Auktion und keiner ist da. Jede Auktion besteht aus Überraschungen und Enttäuschungen. Keine Auktion würde gleich ausgehen, wenn man sie zwei Mal hintereinander abhält. Die Reihenfolge ist auch entscheidend. Käufer wissen ja, auf welche Bilder sie ein Auge geworfen haben. Ob man mit der Reihenfolge richtig liegt, weiß man nie. Aber man weiß auch nicht, ob es anders besser gewesen wäre.

Wie definieren Sie eine erfolgreiche Auktion?

Wenn diejenigen zufrieden sind, die mir mit ihren Objekten einen Auftrag erteilt haben. Ich habe nur einen Auftrag vom Verkäufer: „Verkaufe mir mein Bild! Zum besten Preis!“

Vielen Dank, Herr Ketterer, für diesen interessanten Einblick in die Welt der Kunst und Auktionen!

Mehr über Ketterer Kunst erfahrt Ihr hier!

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